Auswertung
Stand der Dinge…
Sophia Schmitz,
Markgraf-Ludwig-Gymnasium Baden-Baden,
Klasse10
Inhalt
1. Informationen zum Karikaturisten
Die Karikatur mit dem Titel „Stand der Dinge …“ wurde am 29.09 .2023 auf der Website des Karikaturisten Klaus Stuttmann veröffentlicht. Darauf ist ein alter, pflegebedürftiger Mann im Rollstuhl zusammen mit einer Pflegefachkraft zu sehen. Die Karikatur thematisiert Feindlichkeit gegenüber ausländischen Fachkräften in Deutschland.
Klaus Stuttmann wurde 1949 geboren und wuchs in der Nähe von Stuttgart auf. Aktuell lebt er in Berlin . Er studierte Kunstgeschichte in Tübingen und Berlin . Später arbeitete er unter anderem als freischaffender politischer Karikaturist, Layouter, Illustrator und Plakatemacher. Seit 1990 ist er nur noch als tagespolitischer Karikaturist tätig. Seine Karikaturen werden täglich im „Tagesspiegel“ und regelmäßig in ca. 30 weiteren Zeitungen veröffentlicht, darunter z.B. die „ Badische Zeitung“. Stuttmann gewann bereits zahlreiche Auszeichnungen, wie den „Deutschen Preis für Politische Karikatur“ und den „Deutschen Cartoonpreis“.
2. Rechtfertigung der Bildauswahl
Bei der Auswahl einer Karikatur fiel mir diese ins Auge, da sie zwei wichtige Themen behandelt: Erstens, die Migration bzw. Rekrutierung ausländischer Fachkräfte als Lösungsansatz dem deutschen Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Zweitens, die damit zusammenhängende Ausländerfeindlichkeit in Deutschland. Mit ersterem Thema hatte ich mich bereits letztes Jahr im Zuge einer GFS intensiver beschäftigt. Die Art, wie auch Klaus Stuttmann mit dieser Karikatur indirekt darauf eingeht, fand ich sehr interessant , da sie vor allem die negativen Folgen dieses Lösungsansatzes aufzeigt. Migration und der damit verbundene Umgang der Menschen sind außerdem sehr präsente und allgegenwärtige Themen in Politik und Gesellschaft, gerade in Zeiten von internationalen Konflikten, wie dem Ukraine Krieg oder dem Nahost Konflikt. Sich mit diesen Themen auseinanderzusetzten halte ich für wichtig, um einen geeigneten Umgang damit zu finden, der nicht von Hass und Ablehnung gegenüber anderen geprägt ist.
3. Beschreibung der Karikatur
Im Mittelpunkt der Karikatur ist ein alter, im Rollstuhl sitzender Mann zu sehen, der von einer Frau geschoben wird. Der Mann hat weiße Haare und trägt schlafanzugähnliche Kleidung. In der Hand hält er eine kleine Deutschlandflagge. Sein Gesichtsausdruck wirkt sehr grimmig, denn sowohl seine Augenbrauen als auch seine Mundwinkel hat er weit nach unten gezogen. Außerdem ist sein Gesicht rot angelaufen. Neben ihm in einer Sprechblase steht die Aussage „Ich würde euch Ausländer alle abschieben, wenn ich könnte! „. Damit richtet er sich offenbar an die Frau hinter ihm. Sie trägt einen blauen Kittel und eine weiße Hose, typische Kleidung für eine Pflegefachkraft. Ihr Gesichtsausdruck ist weitestgehend neutral, nur ihre Augen sind weit aufgerissen. Außerdem hat sie im Gegensatz zu dem Mann, der weiß ist, eine dunkle Hautfarbe. Am unteren Rand der Karikatur steht: ,,Stand der Dinge … „.
4. Deutung der Karikatur
Wie der Titel der Karikatur bereits vermittelt, handelt sie vom „Stand der Dinge“ bezüglich des Umgangs der Deutschen mit ausländischen Fachkräften. Aber wie sieht der Stand der Dinge eigentlich aus? Dies werde ich im Folgenden analysieren.
4.1 Fachkräftemangel in Deutschland
Der vor allem durch den demografischen Wandel entstehende Fachkräftemangel hatte sich in den letzten Jahren immer weiter verschärft und wird dies auch weiterhin tun. Er betrifft viele Berufsfelder, darunter auch die in der Karikatur thematisierten Pflegeberufe. In Deutschland sind aktuell rund vier Millionen Menschen pflegebedürftig. Allein die Zahl der über BQ-jährigen soll sich zwischen 2020 und 2050 laut statistischem Bundesamt von 5,7 Millionen auf 9,6 Millionen vergrößern. Aus Berechnungen der Universität Bremen und Prognosen des Instituts der deutschen Wirtschaft geht außerdem hervor, dass allein in der Altenpflege bereits über 155.000 Fachkräfte fehlen. Dieser Zustand wird sich auch vorerst nicht ändern, denn der Pflegepersonalbedarf steigt stärker als die Anzahl der Beschäftigten in diesem Bereich. Um diesem Problem entgegenzuwirken, gibt es nun verschiedene Lösungsansätze. Einer davon ist die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland. Um diesen Weg umzusetzen, gibt es unterschiedliche Initiativen, wie das Tripel Win Programm, ein Projekt in Zusammenarbeit der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung, der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Solche Initiativen zielen darauf ab, Pflegekräfte aus dem Ausland zu gewinnen. Allgemein liegt der Anteil an aus dem Ausland stammenden Pflegefachkräften in Deutschland laut Factsheet des Mediendienstes Integration insgesamt bei ungefähr 200.000 von 1,5 Millionen. Davon stammen ca. 90.000 aus der EU und 120.000 aus Drittstaaten. Diese Zahl ist dreimal höher als in 2013.
4.2 Ausländerfeindlichkeit in Deutschland
Ausländerfeindlichkeit ist in Deutschland ein anhaltendes Problem. Bereits 2015 gab es große Diskussionen über den Umgang mit den vielen Menschen, die nach Deutschland flüchteten. Neben Befürwortern einer progressiven Flüchtlingspolitik gab und gibt es aber auch rechtspopulistische Bewegungen, die von Hass und Ablehnung gegenüber den Migrantinnen geprägt sind. Anhänger solcher Bewegungen fürchten oft eigene wirtschaftliche, soziale und politische Nachteile. Sie haben beispielsweise Angst, dass Sozialleistungen und Ressourcen wie z.B. Wohnfläche, die für deutsche Staatsangehörige gedacht sind, an Flüchtlinge verteilt werden und sie am Ende selbst zu kurz kommen. Die Flüchtlingsdebatte heizt sich nun wieder auf, u.a. aufgrund internationaler Konflikte, wie beispielsweise dem Krieg in der Ukraine, was dazu führt, dass wieder mehr Menschen nach Deutschland fliehen.
4.3 Bezug zur Karikatur
Die Karikatur vereint beide der oben genannten Themen: Fachkräftemangel und Ausländerfeindlichkeit. Der Mann begegnet der Frau nur aufgrund ihres Äußeren und seinen damit verbundenen Vorurteilen mit Ablehnung. Durch seine Wut auf die „Ausländer“ scheint er völlig aus den Augen zu verlieren, dass sie ihm die Hilfe gibt, auf die er wegen seiner körperlichen Einschränkung angewiesen ist. Aber nicht nur dem Mann als Einzelnen ist die Frau eine Hilfe, sondern auch vielen anderen Menschen, da sie mit ihrer Arbeit dazu beiträgt, das überlastete Pflegesystem ein Stück weit zu entlasten. Anstatt dankbar zu sein und die Arbeit der Frau wertzuschätzen, macht er stattdessen deutlich, er wolle lieber gar keine Hilfe als die von ihr, einer Ausländerin. Mit den Lösungsansätzen der Politikerinnen für den Fachkräftemangel ist er nicht einverstanden. Er will nicht, dass Ausländer nach Deutschland kommen. Die Verwendung des Konjunktivs in seiner Aussage „ich würde [ … ], wenn ich könnte“ zeigt jedoch, dass er nicht dazu in der Lage ist, sein Vorhaben, alle Ausländer abzuschieben, durchzusetzen. Er befindet sich dafür nicht in der entsprechenden Position. Darüber hinaus beinhaltet seine Äußerung eine gewisse Ironie, denn er will die Ausländer „abschieben“. Dabei ist es die Frau, die dem Mann hilft, indem sie ihn wortwörtlich schiebt. Die Deutschlandflagge, die der Mann fest in der Hand hält, ist ein wichtiges Element, um sein Verhalten zu erklären. Sie lässt vermuten, dass seine ausländerfeindliche Einstellung im Zusammenhang mit starker nationaler Identität und patriotischen Gefühlen steht. Der Mann hat vermutlich Angst vor Veränderung und will die Werte, die Deutschland für ihn ausmachen, bewahren. Die Aufnahme von Flüchtlingen gehört für ihn zu diesen Werten offensichtlich nicht dazu und so fühlt er sich in seiner Identität bedroht. Er ist zu engstirnig, um die Vorteile in der Entwicklung im Umgang mit Migrantinnen zu sehen. Die Darstellung eines alten Mannes macht insofern Sinn, dass eine solche konservative Einstellung eher alten Menschen zugeschrieben wird. Die Frau hat ihrer Reaktion nach zu urteilen, nicht mit einer solchen Aussage seitens des Mannes gerechnet. Durch ihre weit geöffneten Augen zeigt sich ihre Überraschung. Diese ist auch vollkommen nachvollziehbar, denn sie ist lediglich dabei ordnungsgemäß ihrem Beruf nachzugehen. Sie liefert dem Mann dabei keinen Grund, der seine Aussage rechtfertigen würde. Alleinig ihr Dasein genügt ihm dafür.
4.4 Aussage der Karikatur
Im „Stand der Dinge“ wird ein Widerspruch deutlich. Auf der einen Seite besteht die Notwendigkeit dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, u.a. durch Einstellung von Fachkräften aus dem Ausland. Auf der anderen Seite stehen die Vorbehalte und Ablehnung einiger Deutschen gegenüber diesen Menschen. Diese beiden Tatsachen stehen in einem Konflikt zueinander, die der Karikaturist durch eine überdeutliche Darstellung veranschaulicht. Ein in der Theorie sinnvoller Lösungsansatz kann bei der praktischen und konkreten Umsetzung zu Problemen führen, wenn er von den Menschen aus oben genannten Gründen nicht angenommen wird.
5. Fazit
Meiner Meinung nach gelingt es dem Karikaturisten Klaus Stuttmann gut, den Zusammenhang von Fachkräftemangel und Ausländerfeindlichkeit in Deutschland aufzuzeigen. Seine Darstellung des alten pflegebedürftigen Mannes und der dunkelhäutigen Pflegefachkraft ist natürlich sehr überspitzt dargestellt. Selbstverständlich teilen nicht alle Menschen, die dem äußerlichen Bild des Mannes auf der Karikatur entsprechen, auch seine ausländerfeindliche Einstellung. Und auch nicht alle Menschen, die sich mit ihrem Heimatland identifizieren sind automatisch ausländerfeindlich. Diese Darstellungen sind sehr klischeehaft. Trotzdem wächst mit steigenden Einwandererzahlen auch die Ablehnung gegenüber Menschen anderer Herkunft in Deutschland. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass sich die patriotischen Gefühle mancher Menschen leider gut von z.B. politisch sehr rechts orientierten Parteien wie der AfD instrumentalisieren lassen. Jene nutzt den Fakt, dass Menschen mit starker nationaler Identität durchaus anfälliger dafür sind, diskriminierend und ablehnend gegenüber Menschen anderer Herkunft zu sein. Sie verbreitet Angst vor Migrantinnen und erzeugt so eine Spaltung der Gesellschaft. Das friedliche Zusammenleben unterschiedlichster Menschen in Deutschland wird so gefährdet. Das erachte ich als sehr bedenklich. Ob das Rekrutieren ausländischer Fachkräfte nun der beste Weg ist, den deutschen Fachkräftemangel zu lösen, ist fragwürdig. Denn wie in der Analyse zu erkennen, bringt dieser Weg auch Probleme mit sich. Den ausländischen Fachkräften jedoch mit Hass zu begegnen ist keinesfalls hilfreich. Insgesamt regt Karikatur also dazu an, über das Thema Ausländerfeindlichkeit nachzudenken, sich damit auseinanderzusetzen und eventuell auch das eigene Verhalten bezüglich dessen zu reflektieren. Dies ist in meinen Augen ein wichtiger Schritt, um einer Lösung des Problems näher zu kommen.
Quellenverzeichnis
Karikatur
https://www.stuttmann-karikaturen.de/karikatur/8449. 03.11 .2023
Informationen Karikaturist
https://www.stuttmann-karikaturen.de/mich. 03.11.2023
Informationen Fachkräftemangel
https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-indeutschland/61819/pfleqebeduerftiqe/, 04.11.2023
https://mediendienstintegration.de/fileadmin/Dateien/Pflege Fachkraefte Ausland Mediendienst Factsheet neu 2021.pdf, 04.11.2023
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/miqration-148.html, 04.11 .2023
https://www.pfleqenot-deutschland.de/, 04.11 .2023
https://www.arbeitsagentur.de/vor-ort/datei/triple win-broschuere ba066692.pdf, 06.11 .2023
https://mediendienstinteqration.de/fileadmin/Dateien/Pfleqe Fachkraefte Ausland Mediendienst Factsheet neu 2021.pdf, 06.11.2023
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