Erörterung

Verhindert der Islam eine Integration in Deutschland?

Johanna Heintze,

Gymnasium Achern,

Klasse12

Inhalt

1. Einleitung

Die Frage, wie wir in Deutschland eine friedliche Gemeinschaft zwischen unterschiedlichen Religionen, Weltanschauungen und Kulturen erschaffen sollen, begleitet uns tagtäglich in den Medien und im Alltag. Vor allem jetzt, da pro-palästinensische Kundgebungen stattfinden und gleichzeitig die AfD in den deutschen Landtagswahlen so viele Stimmen wie noch nie erhalten hat, lässt sich die Spaltung der deutschen Gesellschaft in immer extremere Lager beobachten. Besonders wenn es um Themen wie die Integration oder den Islam geht, scheint es nur noch die Seite der Islamophobie oder die der Islamverherrlichung zu geben. Das ist auch der Anlass für das Thema dieser Erörterung, in der versucht wird, einen objektiven Austausch berechtigter Argumente bei einem emotional aufgeheizten Thema darzustellen. Dabei soll unter anderem geklärt werden, ob der Glaube überhaupt eine Rolle bei der Integration spielt, ob der Islam deutschlandkompatibel ist und welche Möglichkeiten sich der deutschen Mehrheitsgesellschaft und den Migranten gleichermaßen für eine gelungene Integration bieten. Bei der Frage „Verhindert der Islam eine Integration in Deutschland?“ muss jedoch zuerst geklärt werden, was Integration bedeutet und was eine gelungene Integration ausmacht.

2. Integration

Integration bezeichnet die Eingliederung einer Gruppe in ein größeres Ganzes.1 Diese Eingliederung basiert meist auf gemeinsam anerkannten Werten und Normen, wie beispielsweise dem Grundgesetz in Deutschland. Der Prozess der Integration kann somit nur wechselseitig gelingen.2 Um eine gelungene Integration zu ermitteln, werden vier verschiedene Ebenen der Integration betrachtet: Die kognitive Integration beschäftigt sich vor allem mit der Selbsteinschätzung von Sprachkenntnissen, Lesen und Schreiben. Die strukturelle Integration befasst sich unter anderem mit dem Arbeitsmarkt, wogegen die soziale Integration die sozialen Alltagsbeziehungen und die identifikative Integration die emotionale Verbundenheit zu Deutschland beleuchtet.3 Bei der Integrationsdebatte werden dabei meistens nicht die Einwanderer aus Rumänien, Polen oder Russland problematisiert, sondern vor allem die türkischen und arabischen Menschen mit ihrer Religion, dem Islam.4

3. Islam als Religion in Deutschland

Die türkischen Gastarbeiter, die ab den 50er Jahren in Deutschland arbeiteten und häufig nicht in ihre Heimat zurückkehrten, aber auch die Flüchtlingswellen, die 2015 begannen, sorgten dafür, dass der Islam in Deutschland immer mehr Wurzeln schlug. Derzeit ist der Islam mit 5,5 Millionen Gläubigen in Deutschland vertreten und damit nach dem Christentum mit 45 Millionen Angehörigen die zweitgrößte Religion.5 Laut Necla Kelek, welche in Istanbul geboren wurde und nun in Deutschland als Soziologin und Publizistin arbeitet, ist der Islam darüber hinaus jedoch auch eine Kultur, Weltanschauung und politische Ideologie.6

3.1 Islamische Strömungen und Ränder

Beim Blick auf diese zweitgrößte Religion in Deutschland muss beachtet werden, dass die islamischen Gläubigen keine homogene Masse sind. So kommen die Muslime aus unterschiedlichen Ländern und Regionen wie der Türkei, dem Nahen Osten, Nordafrika und Südosteuropa.7 Auch gibt es Vertreter verschiedener Glaubensrichtungen in Deutschland wie beispielsweise ahmadi, alevitisch, schiitisch oder sunnitisch.8 Diese Angehörigen verbindet außer ihrer allgemeinen religiösen Zugehörigkeit zum Islam nicht viel mehr, da sie verschiedene Heimatländer und Auslegungen des Islam haben.

3.2 Flüchtlingswelle und ihre politischen Folgen

In der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 suchten Hunderttausende Menschen Asyl in der EU, der Großteil dieser Flüchtlinge stammte aus Syrien, Afghanistan und dem Irak.9 Infolgedessen kam es zu einem erstarken von rechtspopulistischen Parteien wie der AfD und einer vermehrten Diskussion in der deutschen Bevölkerung über die Aufnahmekapazität und den Umgang mit Flüchtlingen, die aufgrund ihrer Herkunft vermehrt islamgläubig sind und waren. Auch Bewegungen wie Pegida nutzten die Flüchtlingskrise „um Gehör für islam-und fremdenfeindliche[n] Parolen zu finden.“10 Um eine Debatte über die Integrationsfähigkeit des Islam zu führen, muss deshalb klar zwischen populistischen Parolen und Vorurteilen auf der einen Seite und objektiven Faktoren und Argumenten, gegenseitiger Kritik sowie Lösungssuche auf der anderen Seite unterschieden werden.

4. Islamkritik vs. Islamophobie

Wenn es um den Islam geht, stehen sich oftmals zwei konträre Gruppen gegenüber, die so unterschiedliche Meinungen haben, dass es in Debatten nur schlecht zu einer Einigung kommen kann: Auf der einen Seite steht die Islamverherrlichung, die jegliche Kritik am Islam für unzulässig erklärt, vor allem in Bezug auf den Koran und dessen Interpretation. Auf der anderen Seite gibt es die Position, die den Islam per se als etwas Schlechtes ansieht und alles, was mit ihm in Verbindung steht, diskreditiert. Die eigentlich angestrebte religionskritische Auseinandersetzung bewegt sich hier, sobald Pauschalisierung vorherrscht und der Pluralismus innerhalb des Islams ignoriert wird, im Bereich des Rassismus.11 Trotzdem sollte es möglich sein in einer Demokratie, in der jeder die Regierung, Vereinigungen, Religionen und verschiedenste Positionen kritisieren kann, auch differenzierte Kritik am Islam auszuüben, ohne in ein rassistisches Raster zu fallen.12

Allerdings muss auch beachtet werden, dass Kritik an jemand anderem auszuüben immer leichter fällt, da man das Kritisierbare schnell erkennt und es einen emotional nicht so sehr verletzt. In erster Linie sollten also die Muslime selbst Kritik am Islam ausüben und sich gegen fundamentalistische Ränder abgrenzen, auch wenn die Islamkritik ebenfalls wichtig für die deutsche Mehrheitsgesellschaft ist. So hielt Necla Kelek in ihrem Buch „Chaos der Kulturen: Die Debatte um Islam und Integration“ fest:
„Die Auseinandersetzung mit dem, was uns fremd ist, ist wichtig – um den kritischen Blick für das Eigene zu schärfen und uns erkennen zu lassen, was an dem eigenen schützenswert ist.“13

5. Hauptteil: Erörterung

Die Meinung in der Debatte, ob der Islam ein Integrationshindernis ist, lebt oft durch Beispiele aus dem gesellschaftlichen Zusammenleben, Elementen des Islams und Korans sowie Bildung und Arbeit. Im Folgenden werden deshalb drei solcher Problembereiche beispielhaft beleuchtet, die häufig mit dem Islam in Kontext gesetzt werden: Die Bildung von Parallelgesellschaften, Islamverbände und die Scharia mit allgemeinen islamvermittelten Werten und Normen.

5.1 Bildung von Parallelgesellschaften

Eine Parallelgesellschaft entsteht dann, wenn Glauben und Ansichten einer Minderheit als Mittel benutzt werden, um eine Barriere zur Mehrheitsgesellschaft aufzubauen. Eines dieser Mittel kann die Religion oder der Glaube sein. Der Islam tritt also als Integrationshindernis in der Bildung von Parallelgesellschaften auf, wenn beispielsweise alle Nichtmuslime als „Ungläubige“ bezeichnet werden.14 Dadurch wird eine Distanzierung zur deutschen Mehrheitsgesellschaft anerzogen und weitergegeben, welche vor allem den Kindern als zweite Einwanderungsgeneration eine Integration erschwert, da diese vor allem vom Elternhaus und den dort vermittelten Werten und Ansichten geprägt werden. In diesen Parallelgesellschaften leben die zu integrierenden aus Angst vor der Fremdheit des neuen Landes und dem Verlust der Heimat außerdem oft noch nach den Regeln ihrer Heimat und passen sich nicht traditionell deutschen Gepflogenheiten an. Dies stellt ein weiteres Integrationshindernis in die Mehrheitsgesellschaft dar, da vor allem Kinder ein Gefühl des „nicht dazugehörens“ vermittelt bekommen können. Etwa, wenn die meisten Freunde in der Schule Weihnachten feiern, unterschiedliche Vereine oder Religionsklassen besucht werden und andere (religiöse) Traditionen nicht bekannt sind, die unter den in Deutschland aufgewachsenen ein Gefühl der Gemeinschaft hervorrufen können. Auch verhindert der Islam eine Integration bei der Bildung von Parallelgesellschaften, wenn beispielsweise türkischstämmige in Deutschland für Erdogan demonstrieren oder wie in Berlin Neukölln ganze Stadtteile in einer Abschottung zur bestehenden Gesellschaft existieren. Dadurch wachsen Vorurteile und gegenseitige Abneigung, und das Finden einer Identität als deutsche Muslime wird erschwert.15

Die Bildung von Parallelgesellschaften ist somit ein Integrationshindernis, da sich dadurch ein Wir-Sie-Denken auf beiden Seiten etabliert. Allerdings kann man für diese Bildung von Parallelgesellschaften nicht einfach nur eine Religion wie den Islam verantwortlich machen. Denkt man zum Beispiel an Chinatown in New York, so hat sich dort eine Parallelgesellschaft unabhängig von einer Religion entwickelt. Auch stellt der Forschungsbericht „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge eine Gegenposition zu der Meinung dar, dass der Islam durch die Bildung von Parallelgesellschaften eine Integration verhindere. Im Bereich der identifikativen Integration fühlten sich demnach 82% der Menschen mit muslimischem Migrationshintergrund sehr stark oder stark mit Deutschland verbunden.16 Ebenfalls gaben 65,1% derjenigen mit muslimischem Migrationshintergrund im Bereich der sozialen Integration an, häufig Kontakt im Freundeskreis mit Personen deutscher Herkunft zu haben.17 Insgesamt lässt sich hier also kein ausschließlich islamisch herbeigeführtes Integrationshindernis durch Parallelgesellschaften erkennen, da sonst weder die Identifikation mit Deutschland noch der Wille zu Kontakt und Freundschaftsknüpfung so hoch sein dürfte. Zudem lässt sich in den Statistiken feststellen, dass Christen und Muslime mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Ländern ähnliche Angaben machten. Das lässt vermuten, dass Probleme in der Integration wie die Bildung von Parallelgesellschaften zwar auch auf Religionen wie den Islam zurückzuführen sind, jedoch eher Faktoren wie die schwach säkularisierten Herkunftsländer, soziale Lage oder Aufenthaltsdauer dafür verantwortlich sind.18

5.2 Islamverbände

Ein natürlicher Prozess der Integration ist außerdem, dass Bevölkerungsgruppen, die in einem fremden Land langfristig leben wollen, ihre eigene religiöse Identität dort aufbauen. Dazu gehört auch der Zusammenschluss zu Verbänden, gemeinschaftlichen Gruppen oder Vereinen. So konnten auch verschiedenste Islamverbände in Deutschland entstehen, da in der deutschen Verfassung kein „christlichefr] Religionsvorbehalt“19 vorgeschrieben ist. Vor allem in letzter Zeit wurde zunehmend Kritik an diesen islamischen Verbänden laut, etwa, dass sie nicht klar genug die „Hamas“ öffentlich als Terrorgruppe bezeichnet hatten. Für ein Integrationshindernis durch Islamverbände spricht demnach, dass diese sich in der Vergangenheit ohne Aufforderung nicht klar für in der deutschen Demokratie verankerte Werte wie die Ablehnung des Antisemitismus und extremer Terrororganisationen positioniert haben.20 Es gibt einige (türkische) Islamverbände in Deutschland wie zum Beispiel Millt Görü§ oder die Grauen Wölfe, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden.21 Diese beiden Verbände stellen durch rechtsextreme Einstellungen wie Rassismus, Homophobie, Sexismus und Antisemitismus einen Gegensatz zu der in Deutschland vertretenen Meinungsfreiheit sowie Gleichheit und Würde aller Menschen dar. Sie könnten daher bei ihren Anhängern zu einer Abkehr von der Demokratie und deren Werten führen, was ein Hindernis in der Integration darstellen würde 22 Doch auch Muslime selbst kritisieren die Islamverbände für ihre Haltung, für sich den Anspruch zu erheben, für alle Muslime zu sprechen, ohne eine Diskussion zuzulassen.23 So gibt es auch Verbände wie den Liberal Islamischen Bund, der versucht, demokratische Werte wie das Selbstbestimmungsrecht und die Gleichberechtigung mit einer liberalen Deutung des Islams in Einklang zu bringen und innerislamisch festzulegen, wie bestimmte Koranpassagen zu interpretieren sind24 Auch im Kontext von (Islam-)Verbänden stellt der Forschungsbericht „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge eine relativ positive Bilanz bezüglich der sozialen Integration dar.25 Einerseits haben laut diesem Forschungsbericht fast 62% der zweiten Einwanderungsgeneration von Menschen mit muslimischen Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunfts19Rohe, bpb. Aus Politik und Zeitgeschichte – Islam in Deutschland, ländern zwar keine Mitgliedschaft in einem Verein, was auf eine mangelnde Integration
dahingehend deutet, wobei auch hier kein signifikanter Unterschied zwischen muslimischen und christlichen Migranten erkennbar ist. Andererseits lässt sich auch feststellen, dass im Vergleich zur ersten muslimisch gläubigen Einwanderungsgeneration die Mitgliedschaften in herkunftsbezogenen Vereinen von 6,1% auf 4,2% in der Nachfolgegeneration gesunken ist. Dies deutet auf eine positive Identifizierung mit Deutschland und dessen Vereinen hin, da gleichzeitig die Mitgliedschaft in deutschen Vereinen von muslimisch gläubigen Migranten in der zweiten Einwanderungsgeneration knapp 30% beträgt. Ebenfalls sind nur ungefähr 12% der Muslime mit Migrationshintergrund in religiösen Vereinen aktiv.26 Auch hier muss betont werden, dass
diese Zahlen noch einmal zwischen den unterschiedlichen Herkunftsländern und islamischen Glaubensrichtungen variieren, was eine heterogene Glaubensrichtung wie den Islam schließlich auch ausmacht. Insgesamt lässt sich hier ein Integrationshindernis durch den Islam in Form von Islamverbänden feststellen, wenn diese Verbände extremistische Haltungen und eine Distanzierung der Mitglieder zur Mehrheitsgesellschaft und der Demokratie hin befeuern. Vor allem bezüglich Vereinsmitgliedschaften insgesamt besteht noch integrationsbedarf. Dabei darf man jedoch nicht die islamischen Verbände außer acht lassen, die sich um eine Integration und Eingliederung ihrer Mitglieder in die Mehrheitsgesellschaft bemühen sowie den Anteil der Muslime, welcher sich in deutschen Vereinen aktiv beteiligt und somit eine soziale Integration betreibt.

S. 24 (entnommen am 20.10.23)
20Vgl. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/islam-verbaende-kritik-deutschland-israel-100.htiTil (entnommen am 26.10.23)
21Vgl. https://www.verfassunqsschutz.de/SharedDocs/hinterqruende/DE/auslandsbezoqenerextremismus/tuerkischer-rechtsextremismus-in-deutschland.html (entnommen am 03.11.23)
22Vgl. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/islam-verbaende-kritik-deutschland-israel-100.html (entnommen am 26.10.23)
23Vgl. Kaddor, bpb. Aus Politik und Zeitgeschichte – Islam in Deutschland, S.8 (entnommen am 20.10.23)
24Vgl. Karimi, bpb. Aus Politik und Zeitgeschichte – Islam in Deutschland, S.5 (entnommen am 20.10.23)
25Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Muslimisches Leben in Deutschland 2020, S.156f. (entnommen am 27.10.23)
Die im nächsten Satz Folgenden Prozentwerte wurden dieser Quelle entnommen.

5.3 Scharia und allgemeine islamvermittelte Werte und Normen

Das im gesellschaftlichen Diskurs wohl meistbenutzte Argument beim Thema Integration und Islam ist das der Scharia und insgesamt konträrer Weltansichten, die nicht mit dem säkularen Rechtsstaat in Deutschland zusammenpassen. So stellt sich Necla Kelek die Frage, wie viel Freiheit unsere Gesellschaft aushalte, wenn Menschen darin leben, welche ein anderes Gesellschaftsmodell anstreben, mit anderen Werten und Traditionen.27 Die Beispiele, die diese Frage aufwerfen, sind oft in den Nachrichten zu hören. An Frauen ausgeübte „Ehrenmorde“, das Tragen eines Kopftuches, was häufig als nicht hinreichend integriert angesehen wird oder das Verwehren des Händeschüttelns mit einer Frau. Aber auch die aus Tabubrüchen resultierenden Strafen wie Auspeitschung oder Steinigung, welche aus der Scharia hervorgehen, werden als nicht kompatibel mit der im Grundgesetz verankerten Würde des Menschen oder Gleichberechtigung angesehen.28 Ebenso der Dschihad, die Haltung, dass der Islam die einzig wahre Religion sei, und die viel zitierte Sure 9 Vers 5: „[…] dann tötet die Heiden, wo immer ihr sie findet, greift sie, umzingelt sie und lauert ihnen überall auf!“29 werden häufig als Argumente für das Gewaltpotenzial des Islams und somit der Gefährdung des inneren Friedens in Deutschland aufgeführt. Denn solche von Islamisten meistens wörtlich genommene Passagen, die den „wahren Islam“ darstellen sollen, legitimieren so Gewalt gegenüber Andersgläubiger. Es ist also die extremistische Deutung des Korans und der Scharia sowie der Islamismus, die dem demokratischen Weltbild konträr gegenüberstehen, da sie die Menschenrechte und Religionsfreiheit in Deutschland verletzen. Die extremistische Auslebung islamischer Werte und Traditionen, ein nichtsäkularisiertes Menschenbild und damit oft verbundene Intoleranz gegenüber Andersdenkenden und -lebenden stellen somit ein Integrationshindernis dar. Darüber hinaus haben auch islamistische Terroranschläge gegen westliche demokratische Rechtsstaaten und deren Bevölkerung in Amerika und Europa die Angst vor extremistischen Islamisten und somit auch die Vorurteile gegenüber gemäßigten und integrationswilligen Muslimen befeuert. „Ach Gott, wolltest du doch die Gottlosen töten!“30, steht in Psalm 139,19. Dieses Bibelzitat ist ebenso aus dem Kontext gerissen, wie die zuvor zitierte Sure aus dem Koran. Dies verdeutlicht das Problem bei einer solchen Argumentation: Koranpassagen werden aus ihrem historischen Kontext gerissen und ohne Interpretation benutzt. Denn die Scharia ist kein festgeschriebenes Gesetzbuch, sondern ein Leitfaden, der vom Menschen verändert und ausgelegt werden kann.31 So wie auch die meisten Christen aus Bibelzitaten keine Legitimation der Kreuzzüge mehr deuten würden, muss dieses Recht des historischen Umgangs mit dem Islam und seine Interpretationsspielräume auch den Muslimen und jeder anderen Religion zugestanden werden.

Auch bedeutet das Tragen des Kopftuches, wenn diese Entscheidung freiwillig getroffen wurde und ein Nichttragen des Kopftuches ohne Zwang oder Bedrohungen von Mitgläubigen akzeptiert würde, eine Auslebung des Glaubens und eigenständige Interpretation dessen. Der Vorwurf einer dadurch mangelnden Integration würde somit den Muslimas nicht nur ihr Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper, sondern auch ein eigenständiges Denken absprechen. Ob man den Islam demnach konservativ oder liberal auslebt, sollte im eigenen Ermessen liegen, solange dadurch die demokratischen Grundrechte, Werte und Menschenrechte gewährleistet bleiben, wie es in einer pluralistischen Gesellschaft mit konservativen und liberalen Strömungen auch bei anderen politischen oder gesellschaftlichen Themen der Fall sein muss. Es sollte demnach nicht gelten, dass ,,[N]ur der Muslim, der keiner mehr ist, [säkular sein kann]“32. Insgesamt lässt sich hier also ein Integrationshindernis nur dann feststellen, wenn islamische Werte und Traditionen über geltendes Recht und Freiheiten anderer gestellt werden. Ansonsten wird auch durch die Religionsfreiheit gewährleistet, dass die eigene Religion ausgeübt werden darf, wie man will, solange man niemanden verletzt, bedroht oder beleidigt. Religion ist somit Privatsache, wird jedoch dann zu einem öffentlichen Konfliktpunkt, wenn eine mangelnde Anpassung zu einem Verstoß gegen Normen und Werten führt, die von der Mehrheitsgesellschaft als schützenswert und wichtig erachtet werden.

6. Zukunftsaussichten

Die Frage nach der Integrationsfähigkeit des Islam wird die gesellschaftliche Debatte wohl noch so lange begleiten, wie es Vorurteile, Gewalt und Probleme mit der Migration gibt. Denn ,,[u]m eine Gesellschaft zu überfordern, genügt […] eine kleine Gruppe“ 33. In diesem Fall gewaltbereite Islamisten, die auch das Leben der anderen Muslime erschweren. Es gilt demnach für die Zukunft Lösungen zu finden, die ein Miteinander und eine Integration hin zur Inklusion ermöglichen. Dafür wird es auch nötig sein, dass Muslime in Schulen, Universitäten und Vereinen die Möglichkeit haben, in einem offenen Diskurs über Fragen im Hinblick ihrer Religion zu debattieren und selbst Lösungen zu finden, wie der Islam allgemeingültig mit einer Demokratie und der bestehenden Mehrheitsgesellschaft in Einklang zu bringen ist.34 Eine Debatte über den Islam fern von Extremen und beidseitigen Vorurteilen sollte deshalb angestrebt werden, da man
nur durch ständige Verhandlungen und Kompromisse einen Konsens aufbauen kann, der alle Seiten zufrieden stellt.


32§eker, bpb. Aus Politik und Zeitgeschichte – Islam in Deutschland, S.21 (entnommen am 20.10.23)
33https://www. focus.de/panorama/welt/buchauszuq-aus-der-selbstbetruq~mansour-inteqration-ist-mehr-alssprache-plus-arbeit-minus-kriminalitaet id 203879185.html (entnommen am 29.10.23)

7. Fazit

Bei der Erörterung der drei Problembereiche in der Integration wurde deutlich, dass sowohl Pro- als auch Contra-Argumente ihre Berechtigung bei diesem Thema haben. Eine Demokratie ist eine oftmals anstrengende und frustrierende Staatsform, die es jedoch Wert ist, vor äußeren und inneren Einflüssen geschützt zu werden. Diese Einflüsse sind jedoch nicht nur islamistischer Natur, sondern treten auch in Form von Christlichem-, Rechts- oder Linksextremismus auf. Die Weitergabe und Akzeptanz demokratischer Werte ist demnach ein dauerhafter Prozess und muss von denjenigen, die in Deutschland leben wollen, auch eingefordert werden. Denn eine Integration – auch die des Islams – kann immer gelingen, wenn sich alle Beteiligten auf diese Werte, Normen und Rechte festlegen und diese auch als schützenswert erachten. Bei der Frage der Integration kann man deshalb nicht pauschal den Islam als Integrationshindernis bezeichnen. Es liegt in der Verantwortung der vielen integrationsbereiten und bereits vollständig integrierten Muslime, sich von Extremismus jeglicher Art zu distanzieren, sowie die Bereitschaft mitzubringen, Kritik anzunehmen, auszuüben und sich anzupassen, ohne dabei große Teile ihrer muslimischen Identität einzubüßen. Es liegt jedoch auch in der Verantwortung der in Deutschland ohne Migrationshintergrund Geborenen, festzulegen, was es überhaupt heißt, deutsch zu sein und in Deutschland zu leben. Wenn nicht Möglichkeiten geschaffen werden, dass sich Migranten eine Identität als Deutsche aufbauen können und als ebenbürtige Mitglieder in der Gesellschaft angesehen werden, verwehrt ihnen die deutsche Mehrheitsgesellschaft jegliche Form der Integration und verhindert durch Vorurteile und Angst vor dem „Fremden“ eine Chance in der Integration und multikulturellen Gesellschaft zu sehen, ohne dabei die eigene „deutsche“ Identität und Tradition zu verlieren. Wgl. Rohe, bpb. Aus Politik und Zeitgeschichte – Islam in Deutschland, S.24 (entnommen am 20.10.23)

8. Literaturverzeichnis

1Vgl. https://www.staatsjexikon-oniine.de/Lexikon/lnteqration (entnommen am 30.10.23)
2Vgl. https://www.bmi.bund.de/DE/themen/heimat-inteqration/inteqration/inteqration-bedeutunq/inteqrationbedeutunq.html (entnommen am 31.10.23)
3Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Muslimisches Leben in Deutschland 2020, S.123 (entnommen am 27.10.23)
4Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157446/umfraqe/hauptherkunftslaender-der-zuwanderer-nachdeutschland-2009/ (entnommen am 03.11.23)
5Vgl. https://www.deutsche-islam-konferenz.de/DE/DatenFakten/daten-fakten node.html (entnommen am 05.11.23)
6Vgl. https://books.qooqte.de/books?id:=2fZIAqAAQBAJ&hl=de&source=qbs navlinks s, Voransicht S.8 (entnommen am 30.10.23)
7Vgl. https://www.nzz.ch/meinunq/miqration-nicht-reliqion-die-klasse-beeinflusst-inteqration-ld.1736874 (entnommen am 05.11.23)
8Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Muslimisches Leben in Deutschland 2020, S.123 (entnommen am 27.10.23)
9Vql.https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/217302/fluchtindiekriseeinrueckblickaufdieeufluechtlinqskrise-2015/ (entnommen am 05.11.23)
10https://www.oeaw.ac.at/detail/news/islamfeindliche-deutunq-der-fluechtlinqskrise-rettete-peqida-vorbedeutiinqslosiqkeit-1 (entnommen am 03.11.23)
11Vgl. Muslimfeindlichkeit-Eine deutsche Bilanz, Bundesministerium des Inneren und für Heimat, S.38f. (entnommen am 28.10.23)
12Vgl. https://www.deutschlandfunk.de/islam-debatte-die-reliqion-schottet-menschen-ab-100.html (entnommen am 01.11.23)
13Kelek, https://books.qooqie.de/books?id=:2fZIAqAAQBAJ&hl=de&source=qbs navlinks s, Voransicht S.22 (entnommen am 30.10.23)
14Vgl. Abdel-Samad, bpb. Aus Politik und Zeitgeschichte – Islam in Deutschland, S.3 (entnommen am 20.10.23)
15Vgl. https://www.deutschlandfunk.de/islam-debatte-die-reliqion-schottet-menschen-ab-100.html (entnommen am 01.11.23)
16Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Muslimisches Leben in Deutschland 2020, S. 175 (entnommen am 27.10.23)
17Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Muslimisches Leben in Deutschland 2020, S. 164 (entnommen am 27.10.23)
18Vgl. https://mediendienst-inteqration.de/artikel/muslimisches-leben-in-deutschland.htmi (entnommen am 26.10.23)
26Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Muslimisches Leben in Deutschland 2020, S. 98 (entnommen am 27.10.23)
27Vgl. Kelek, https://books.qooqle.de/books?id=2fZIAqAAQBAJ&hl:=de&source-qbs navlinks s, Voransicht S. 8f. (entnommen am 30.10.23)
28Vgl- https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/27944/frauen-unter-derscharia/#:~:text=Das%20islamische%20Strafrecht%2C%20die%20Scharia,Hand%2D%20und%20Fußamputation%20und%20Steiniqunq (entnommen am 29.10.23)
29Deutscher Bundestag, Dokumentation: Die Darstellung von Gewalt in Koran und Bibel, S.5 (entnommen am 30.10.23)
30https://www.sermon-online.com/de/contents/19139019 (entnommen am 29.10.23)
31Vgl. §eker, bpb. Aus Politik und Zeitgeschichte – Islam in Deutschland, S.17 (entnommen am 20.10.23)
Kelek, Necla: Chaos der Kulturen: Die Debatte um Islam und Integration
URL:https://books.qooqle.de/books/about/Chaos der Kulturen.html?id=2fZIAqAAQBAJ&redir esc^v
(entnommen am 30.10.23)
Bundeszentrale für politische Bildung: Aus Politik und Zeitgeschichte – Islam in Deutschland
URL: https://www.bpb.de/svstem/files/pdf/l 1SW6.pdf
(entnommen am 20.10.23)
Bundeszentrale für politische Bildung: Flucht in die Krise – Ein Rückblick auf die EUTlüchtlingskrise” 2015
URL:https://www.bpb.de/shop/zeitschnften/apuz/217302/flucht-in-die-krise-einrueckblick-auf-die-eu-fluechtlinqskrise-2015/
(entnommen am 05.11.23)
Bundeszentrale für politische Bildung: Frauen unter der Scharia
URL:https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/27944/frauen-unter-der-scharia/#
(entnommen am 29.10.23)
Pfündel, Katrin; Stichs, Anja; Tanis, Kerstin; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2021) Muslimisches Leben in Deutschland 2020 [Forschungsbericht 38] URL:https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlaqen/DE/Forschunq/Forschunqsberichte/fb38-muslimisches-leben.pdf? blob-publicationFile&v^lS
(entnommen am 27.10.23)
Bundesamt für Verfassungsschutz: Türkischer Rechtsextremismus – Die „GrauenWölfe” in Deutschland
URL:https://www.verfassunqsschutz.de/SharedDocs/hinterqruende/DE/auslandsbezoqener-extremismus/tuerkischer-rechtsextremismus-in-deutschland.html
(entnommen am 03.11.23)
Bundesministerium des Inneren und Heimat (2023) Muslimfeindlichkeit – Eine deutsche Bilanz
URL:https://www.bmi. bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/heimat-inteqration/BMI23006-muslimfeindlichkeit.pdf? blob-publicationFile&v=9
(entnommen am 28.10.23)
Bundesministerium des Inneren und für Heimat: Warum Integration so wichtig ist
URL:https://www.bmi.bund.de/DE/themen/heimat-inteqration/inteqration/inteqrationbedeutunq/inteqration-bedeutunq.html
(entnommen am 31.10.23)
Deutscher Bundestag (2017) Die Darstellung von Gewalt in Koran und Bibel [Dokumentation] URL:https://www.bundestaq.de/resource/blob/535386/9df70f85ead5a80bf30b51ab28Q5caa9/WD“ 1:015-17-pdf-data.pdf
(entnommen am 30.10.23)
Österreichische Akademie der Wissenschaften: Islamfeindliche Deutung der Flüchtlingskriserettete Pegida vor Bedeutungslosigkeit
URL:httpsV/www.oeaw.ac.at/detail/news/islamfeindliche-deutunq-derfluechtlinqskrise-rettete-peqida-vor-bedeutunqslosiqkeit-1
(entnommen am 03.11.23)
ZDFheute: Güvercin zu Islamverbandhaltung „Für mich als gläubigen Muslim beschämend“
URL:https://www.zdf.de/nachrichten/pQlitik/islam-verbaende-kritik-deutschland-israel-100.html
(entnommen am 26.10.23)
Deutschlandfunk: Islam-Debatte „Die Religion schottet Menschen ab“
URL:https://www.deutschlandfunk.de/islam-debatte-die-reliqion-schottet-menschenab-100.html
(entnommen am 01.11.23)
Mediendienst Integration: Muslimisches Leben in Deutschland
URL:https://mediendienst-inteqration.de/artikel/muslimisches-leben-indeutschland.html
(entnommen am 26.10.23)
FOCUSonline: Wir brauchen Integration – doch wer Probleme anspricht, ist gleich„Islamhasser”
URL:https://www.focus.de/panorama/welt/buchauszuq-aus-depselbstbetrugmansour-integration-ist-mehr-als-sprache-plus-arbeit-minuskriminalitaetid 203879185.html
(entnommen am 29.10.23)
Deutsche Islam Konferenz: Daten und Fakten über den Islam in Deutschland
URL:https://www.deutsche-islam-konferenz.de/DE/DatenFakten/datenfaktennode.html
(entnommen am 05.11.23)
Staatslexikon: Integration
URL:https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/lnteqration
(entnommen am 30.10.23)
Neue Zürcher Zeitung: Die Integrationsdebatte muss die richtigen Fragen stellen -die nach der Religion kommt erst an dritter Stelle
URL:https://www.nzz.ch/meinunq/miqration-nicht-reliqion-die-klasse-beeinflusstinteqration-ld .1736874
(entnommen am 05.11.23)
Statista: Anzahl der im Jahr 2022 nach Deutschland Zugewanderten nach Herkunftsländern
URL:https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157446/umfraqe/hauptherkunftslaender-der-zuwanderer-nach-deutschland-2009/
(entnommen am 03.11.23)
Sermon online: Bibel
URL:https://www.sermon-online.com/de/contents/19139019
(entnommen am 29.10.23)

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